Münchens U-Bahnmäuse
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Leseprobe - 1 Kapitel - Der Streit
Schnaufend und außer Atem standen Mucki, Fredi und Willi eng an die Wand gedrückt. Die drei waren um ihr Leben gelaufen. Es waren nicht die ständigen Lichter, die alle paar Minuten an ihnen vorbeihuschten und gespenstische Schatten an die Wand malten, oder das Quietschen der Schienen, wenn die U-Bahn in den Bahnhof rollte, die sie so in Angst und Schrecken versetzt hatten, sondern es hatte sich ein fürchterlicher Streit zwischen den Ober- und Untermäusen des Münchner Hauptbahnhofes entfacht und sie waren schuld daran.
Mucki, Fredi und Willi waren Geschwister und gehörten zu den Obermäusen. Sie wohnten in der Nähe des Zeitschriftenladens, gleich bei der Rolltreppe, die zu den Zügen führte. Die Obermäuse residierten im Zwischengeschoss des Bahnhofes, da, wo all die kleinen Geschäfte waren und es herrlich nach frischen Backwaren, chinesischem Essen, Sushi und Burger roch, während die Untermäuse in den dunklen U-Bahnschächten hausten und es ihnen verboten war, hinauf zum Obergeschoss zu gehen. Starke Mäusemänner des Oberhauses bewachten den Eingang und vernichteten jeden, der es wagte, die Sperre zu durchbrechen.
Normalerweise versuchten die Untermäuse hinauf zu den Obermäusen zu laufen, doch heute waren es die drei neugierigsten Obermäuse Mucki, Fredi und Willi, die die Welt der Untermäuse erkunden wollten. Sie hatten ein kleines Loch an der Mauer des Saftlandens, der um die Ecke lag, entdeckt. Von dort gelangten sie unbemerkt durch ein Abflussrohr in den U-Bahnschacht, wo sie ein großes Chaos anrichteten.
Nicht nur, dass die Untermäuse nicht zu den Obermäusen durften, so war es den Obermäusen auch nicht gestattet zu den Untermäusen zu gehen. Es gab strenge Regeln, an die sich jeder zu halten hatte, und die hatten sie gebrochen.
„Kommt schon, wir müssen weiter“, rief Fredi und sein Herz pumperte dabei vor Anstrengung und Angst. Heute hatte er sich zum ersten Mal gewünscht, nicht der kleine Mops der Familie zu sein. Sein Bäuchlein störte ihn gehörig beim Laufen. Die Gleise waren einfach zu hoch oder aber seine Beinchen zu kurz.
Die Erde vibrierte. Tausend Mäusefüße trampelten durch den U-Bahnschacht direkt auf sie zu. Dabei stießen sie warnende, schrille Töne aus, die nichts Gutes verhießen.
„Wohin sollen wir denn laufen? Hier können wir nicht weiter.“ Mucki blieb abrupt stehen. Noch nie war sie so weit von zuhause entfernt gewesen. Doch heute hatte sie sich heimlich davongeschlichen. Willi und Fredi, ihre beiden Brüder, waren ständig unterwegs und jeden Abend erzählten sie von ihren neuen Entdeckungen und Abenteuern. Wie oft hatte sie neidisch zugehört und gewünscht dabei zu sein. Heute war sie dabei, doch, wenn sie ganz ehrlich war, hatte sie sich dieses Abenteuer ganz anders vorgestellt.
Der U-Bahntunnel mündete auf den Bahnsteig der U2 nach Feldmoching und der U1 zum Olympia Einkaufszentrum. Voller Menschen war der Bahnsteig, die ungeduldig auf die U-Bahn warteten und immer wieder in den Tunnel schauten, ob nicht endlich die Bahn einfuhr. Ein Lichtkegel reichte einige Meter in den Tunnel. Wenn sie hier weiterliefen, würden sie im Licht für alle sichtbar sein. Vor allen Dingen für die Menschen, und das ging überhaupt nicht. Doch, wenn sie wieder in den Tunnel liefen, würden sie gnadenlos von den Untermäusen vernichtet werden.
„Was tun?“, ging es Willi durch den Kopf. „Wohin sollen wir laufen? Wo können wir uns verstecken? Denk nach Willi, denk nach!“ Willi schaute zurück in den Tunnel. Aus der Dunkelheit schauten ihn zuerst zwei, dann vier und dann viele Augen an. Sie blitzten gefährlich durch die Dunkelheit. Viel Zeit blieb den dreien nicht mehr. Da entdeckte Willi die Treppe. Sie führte von den Gleisen hinauf zum Bahnsteig, dort wo all die Menschen standen und auf die U-Bahn warteten.
Willi schrie Mucki und Fredi an: „Schnell hier hinauf“. Er raste an den beiden vorbei und stürmte zur Treppe. Mit einem Sprung war er auf der ersten Stufe.
„Das ist nicht dein Ernst Willi“, schrie Fredi voller Entsetzen. Wie sollte er jemals diese Stufen erklimmen.
Mucki zog sich gerade am Treppenabsatz hoch, als Willi sie mit einem Schwung auf die erste Stufe hob. Nun standen die beiden da und schauten auf Fredi hinab. Er hüpfte und versuchte den Treppenabsatz zu erreichen, doch irgendwie war er zu klein, das Bäuchlein zu groß und dazu noch viel zu unsportlich.
Panik ergriff Fredi. Die funkelnden Augen der Untermäuse kamen immer näher.
„Spring schon Fredi“, rief Mucki und Willi, dabei versuchten sie ihn zu greifen und nach oben zu ziehen. Fredi hüpfte, streckte ihnen seine Pfoten entgegen, drehte den Kopf zum Tunnel und schaute seinen Feinden in die Augen. Schweißperlen rannten ihm über das Gesicht und in die Augen. Er hatte Angst, entsetzliche Angst. Der Anführer der Untermäuse streckte seine Krallen nach ihm aus. Da spürten seine Pfoten den Treppenabsatz. Er klammerte sich daran und Mucki und Willi konnten ihn in letzter Minute nach oben ziehen. Nun trennte sie nur diese einzige Stufe von den fauchenden, zischenden, wütenden Untermäusen. Doch als wäre dies ein ungeschriebenes Gesetz, blieben die Untermäuse stehen. Keiner wagte sich hinauf zu ihnen. Sie standen dort unten und fletschten ihre Zähne, ihre Krallen jederzeit bereit zu benutzen.
Mucki, Fredi und Willi kletterten die Stufen hinauf in ihre Freiheit. Doch was erwartete sie dort oben?