Das Erwachn von Meridano
Das Erwachen von Meridano für 13-15 Jahre
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Leseprobe - 1. Kapitel - Email von Daichi
Seit Wochen regnete es. Große Regentropfen prasselten auf die Dachgiebel von Jans Kinderzimmer. Dicke, schwarze Wolken verdunkelten den Abendhimmel. Blitze zuckten mit grellem Lichtschein hernieder auf die Erde, begleitet vom Grollen des Donners. Die Abstände wurden immer kürzer. Das Gewitter war nun direkt über Jans Haus. Der Apfelbaum im Garten schlug gespenstische Schatten und seine Zweige wogen sich im Wind hin und her, als müssten sie dämonische Kräfte vertreiben.
Jan wälzte sich unruhig von einer Seite auf die Andere. Er konnte nicht schlafen. Irgendetwas stimmte nicht und es hatte nichts mit seiner letzten Lateinprüfung vor den Sommerferien, die er morgen schreiben würde, zu tun. Er gehörte zu den drei besten Schülern des Kaiser-Friedrich Gymnasiums und musste sich keine Gedanken über seine Noten oder das bevorstehenden Zeugnis machen.
Er schloss seine Augen und versuchte zu schlafen. Für einige Sekunden musste er eingenickt sein. Sein Vater stand vor ihm und murmelte einige Worte. Doch bevor Jan sie verstehen konnte, wachte er auf. Ein Blitz schlug in der Nähe ein. Hatte er geträumt oder war sein Vater wirklich da? Er konnte es nicht sagen. Alles war so real gewesen. Langsam schloss er seine Augen wieder und versank in einem traumähnlichen Zustand. Unaufhörlich erschien ihm sein Vater, zerstreut wie immer, doch mit einem besorgten Blick murmelte er einige Worte. So sehr sich Jan bemühte ihn zu verstehen, es gelang ihm nicht.
Jens-Carsten, Jans Vater, war Programmierer für Computerspiele und ständig in der ganzen Welt unterwegs. Seit einigen Wochen war er nun in Japan. Gleich als er dort ankam, schrieb er Jan eine Karte aus Tokio, doch die Firma für die er arbeitete war außerhalb von Fukuoka auf der Straße nach Nanzoin. Sie lag auf einer Erhöhung, die die Sicht über den Wald, der sich zwischen Fukuoka und Nanzoin erstreckte, freigab. Es war ein modernes, sternförmig angelegtes Gebäude. Um das Gelände war ein hoher Zaun an den Videokameras angebracht waren. Keiner gelangte auf das Firmengelände, der nicht diesen kleinen, runden Chip hatte, der ihm am Eingangstor den Eintritt gewährte. Es gab unterschiedliche Chipfarben und jede Farbe berechtigte den Besitzer für einen ganz bestimmten Bereich in der Firma. Nur zwei Menschen besaßen den Chip für den unbeschränkten Zutritt. So wurde gewährleistet, dass die Mitarbeiter nur die Sachgebiete betreten konnten, in denen sie arbeiteten. Dies war eine Vorsichtsmaßnahme der Firma, um ihre geheimen Projekte und neuen Programme zu schützen. Doch es gab einen Trakt in dem sternförmigen Gebäude, der für alle Mitarbeiter gesperrt war. Man sah nie jemand hineingehen oder herauskommen. In diesem Teil der Firma arbeitete Jans Vater an einem geheimen Onlinespiel, dem Spiel „Meridano“. Er und noch drei Programmierer aus Amerika, Australien und Indien durften dieses Gelände so lange nicht verlassen, bis sie mit dem Programmieren dieses Onlinespieles fertig waren. Selbst Telefonate mit der Familie oder den Freunden wurden abgehört und gegebenenfalls unterbrochen. Sie arbeiteten und schliefen in der Firma. Jede nur erdenkliche Sicherheitsmaßnahme war bei den Programmierern getroffen worden, denn sie arbeiteten an einer geheimen virtuellen Welt, einer künstlichen Intelligenz, die eigenständige Entscheidungen treffen konnte und sich selbständig weiterentwickelte.
Doch von alledem ahnte Jan und seine Mutter nichts.
Es war schon weit nach Mitternacht, das Gewitter hatte sich bereits verzogen, als sich Jans Computer einschaltete und ein großer, roter Briefumschlag auf seinem Bildschirm aufblinkte mit den Worten „Schlafmütze, steh auf und öffne mich!“ Jan hatte einiges von seinem Vater gelernt und programmierte ständig an seinem Computer herum. Für jede Tageszeit hatte Jan den richtigen Spruch festgelegt. Eine normale Mail erschien klein und unscheinbar. Doch diese Mail wurde als außerordentlich wichtig abgeschickt. Sogleich wurde ein Signal an sein Mobil gesandt. Das Display blinkte auf und sein Mobil fing an zu vibrieren, bis er total verschlafen aufstand, und wie in Trance mit der Maus seine Mail öffnete.
„Hallo Jan!“ las er. „Brauche deine Hilfe. Bitte spiele dieses Spiel. Du musst in den nächsten zwei Stunden begonnen haben und benötigst vier Spieler. Daichi“ Darunter war ein Link.
Jan war schlagartig wach. Daichi war ein Codewort, das er vor einigen Jahren mit seinem Vater ausgemacht hatte, wenn er dringend Kontakt mit ihm brauchte. Eigentlich war dieses Codewort für Jan bestimmt. Doch heute schien sein Vater in äußerster Not zu sein. Aber warum unterschrieb er mit Daichi als wäre es ein Name? Musste er diesen Notruf verschleiern? Was ging in Japan vor sich? Fragen über Fragen schossen ihm durch den Kopf, doch eines war sicher, sein Vater brauchte dringend Hilfe.
Er öffnete den Link. In großen Buchstaben stand: ERWECKE MERIDANO. Als er darauf klickte sah er einen roten Planeten, der aussah wie der Mars. Überall war nur Sand und Stein. Von Leben keine Spur. Acht Felder, vier für die Spieler und vier für das Passwort blinkten in der Mitte auf und luden zum Spielen ein.
Der Wecker auf seinem Nachtkästchen zeigte Punkt drei Uhr morgens. Er hatte also Zeit bis fünf Uhr um seine Freunde aufzuwecken, ihnen die Situation zu erklären und das Spiel zu beginnen. Super und um acht Uhr schrieb er eine Lateinprüfung.
Er schrieb eine SMS an seinem besten Freund Henri. „Alarm, komme sofort.“
Henri war nicht wenig erstaunt, als er eine Minute später diese SMS las. Aber er wusste, wenn Jan zu dieser Stunde eine SMS mit Alarm schickte, war Feuer unter dem Dach und er musste sofort kommen. Gerade, als er sich heimlich aus dem Haus schleichen wollte, stand seine Schwester Fenja auf der Treppe und zischte ganz leise:“ Entweder du nimmst mich mit oder ich sage es Mama und Papa.“ Fenja war gerade vierzehn Jahre alt geworden, ein Jahr älter als Henri und Jan und klebte ständig an seinen Fersen. Im Grunde mochte er seine Schwester aber manchmal, so wie jetzt gerade, wünschte er sie ans andere Ende der Welt.
Henri schnaufte tief durch. „Komm schon oder habe ich eine Wahl?“
„Nein“, grinste Fenja und kam die Treppe heruntergelaufen. Sie liebte es ihren Bruder das Messer an die Brust zu setzen.
So huschten die beiden leise aus dem Haus und gingen zu Jan. Über das Baumhaus im Apfelbaum konnten sie auf das Dach klettern und durch das Dachfenster hineinschlüpfen.
Jan saß gerade an seinem Computer. Da gab es noch Dark Angel. Ihren richtigen Namen kannte er nicht, doch sie war oft sein Gegner in dem Onlinespiel „Freibeuter der Meere“. Sie war gut, sie war sogar verdammt gut. Jan hatte keine Ahnung wie alt sie war, aber das spielte jetzt keine Rolle. Er brauchte ihre Hilfe.
Sie war online. Gott sei Dank.
„Hey Dark Angel, brauche deine Hilfe bei einem Spiel. Bist du dabei?“
„Klar Torax, wann geht’s los?“ Torax war Jans Nickname in der Online-Spielwelt.
„Gleich, bleib online.“
Jan drehte sich mit seinem Stuhl um.
„Was macht die hier?“, dabei nickte er mit seinem Kopf zu Fenja.
„Das gleiche wie Henri“, sagte Fenja trotzig. Warum schickten die Jungs sie immer weg. Das war unfair. „Kennst du Computerspiele?“
„Klar, was glaubst du denn.“ Was sollte diese blöde Frage ging es Fenja durch den Kopf und verdrehte dabei ihre Augen.
„Und du hast einen eigenen Computer?“ Jan hatte nicht mehr viel Zeit und er brauchte dringend einen vierten Spieler.
„Ja, sie hat ein Mobil und ein Tablet und spielt ständig Onlinespiele. Aber warum fragst du?“ Henri war nun auch neugierig geworden.
Jan rutschte mit seinem Stuhl zur Seite, so dass Henri und Fenja die Mail lesen konnten.
„Das ist doch ein schlechter Witz, oder?“ Fenja schaute Jan fragend an.
„Nein Fenja“, antwortete Jan, „mein Vater benötigt dringend Hilfe.“
„Woher willst du das wissen?“, fragte Henri, der, obwohl er Jans bester Freund war, von dem Codewort zwischen Jan und seinem Vater nichts wusste.
„Eine lange Geschichte. Aber wir haben jetzt keine Zeit.“ Jan schaute auf die Uhr. Die Zeit schien nur so zu verrinnen. Es war bereits vier Uhr dreißig.
„Nun ja, warum nicht, lass uns das Spiel beginnen.“ Henri war es egal, ob es ein schlechter Scherz war oder, ob Jans Vater dringend Hilfe benötigte. Seine Neugierde war geweckt. Es war gerade das Geheimnisvolle, das Mystische, das Unbekannte, was ihn magisch anzog.
„Ihr beide seid also dabei?“, fragte Jan erleichtert. Er hatte seine vier Spieler. Was nun geschehen würde hatte jeder in seiner eigenen Hand.
Gerade als Henri und Fenja wieder den Baum hinunterkletterten, streckte Jan seinen Kopf zum Fenster hinaus und flüsterte ihnen noch zu: „Das ist unser Geheimnis. Keiner verrät etwas. Auch du nicht Fenja.“
Jetzt war Fenja wirklich eingeschnappt. Was glaubten die Jungs eigentlich von ihr? Dass sie ein Waschweib war? „Klar doch, ich werde es gleich an unser Schwarzes Brett in der Schule hängen.“
Henri gab seiner Schwester einen Stoß in die Rippen. „Klar, du kannst dich auf uns verlassen.“
Nun setzte sich Jan wieder an den Computer und schickte Dark Angel den Link für das Spiel.
„Dark Angel melde dich bitte sofort an.“
„Du hast es aber eilig.“ Und hängte ein dickes Smile dazu. „Bis gleich Torax in der neuen Welt.“
„Bis gleich Dark Angel.“
Und so loggten sich die vier in das neue Spiel ein.